Dr. med. univ. Christine M. Unterberger 
ganzheitliche Heilkunst

Deprescribing - Die Kunst des sicheren Reduzierens von Medikamenten

Deprescribing ist eine Bezeichnung, die das geplante und professionell begleitete sichere Reduzieren und Absetzen von Medikamenten beschreibt. Dies erfolgt mit dem Ziel, einen besseren Gesundheitszustand zu erlangen.
Das Konzept wurde anfangs für den Bereich der Altenheilkunde (Geriatrie) entwickelt, um die negativen Auswirkungen und Wechselwirkungen von zu vielen verschiedenen, zu hoch dosierten oder nicht notwendigen Medikamenten für Menschen mit fortgeschrittenem Lebensalter zu reduzieren. Mittlerweile wurde dieses Konzept in anderer Bereiche der Medizin übernommen,. beforscht und entsprechend weiterentwickelt, so auch für die Psychiatrie.

Im Rahmen einer Einnahme von Psychopharmaka können relevante Neben- und Wechselwirkungen auftreten, die die Gesundheit gefährden und zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führen. Dazu gehören u. a. Gewichtszunahme, internistische Nebenwirkungen (Diabetes, Herz- und Leberprobleme,...) ; sexuelle Funktionsstörungen wie Impotenz und Libidoverlust, körperliche Abhängigkeit ect. Diese und weitere Nebenwirkungen sind bekannt, werden u. a. jeweils in der Packungsbeilage angegeben und es erfolgt bei Verordnung darüber eine Aufklärung des Patienten durch den verordnenden Arzt.

Im Rahmen der Anwendung und Fortsetzung einer medikamentösen Therapie sollte einer regelmäßigen Kosten-Nutzen-Abwägung unterliegen. Diese erfolgt im Rahmen der laufenden Behandlung im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung, die die aktive Teilnahme von Behandler und Patient einschließt (Shared Desicion Making). Falls sich eine Reduktion, ein Absetzen oder eine Umstellung der Medikation dabei als sinnvolle Option zeigt sollte dies auf fachlich kompetente und professionell begleitet individuell angepasst und schrittweise erfolgen. Ein zu schnelles oder abruptes gänzliches Absetzen kann zu schwerwiegenden und kann z. B. beim Kaltentzug von Benzodiazepinen zu lebensbedrohenden Begleiterscheinungen führen und muss unbedingt vermieden werden.

Mittlerweile haben sich zum Thema Medikamentensicherheit und Reduktion von Psychopharmaka viele hilfreiche Erkenntnisse aus der Wissenschaft und Erfahrungsberichten von Betroffenen angesammelt. Besonders relevant sind u. a. die 2024 erschienen Leitlinien zum sicheren Absetzen von Antidepressiva, Benzodiazepinen, Gabapentinoiden und Z-Substanzen, die Maudsley Deprescribing Guidelines, verfasst von Mark Horowitz und David Taylor.

 

The Maudsley Deprescribing Guidelines: Antidepressants, Benzodiazepines ... - Mark Horowitz, David M. Taylor - Google Books


Weiters ist das Ashton Manual eine sehr hilfreiche und praxiserprobte Richtlinie zur Reduktion von Benzodiazepinen. Es wurde in den späten 90ern von der Ärztin und Pharmakologin Dr. Heather Ashton verfasst und 2002 überarbeitet.

Ashton Manual


Das sichere Reduzieren und Absetzen von Psychopharmaka kann einen Zeitraum von mehreren Monaten bis Jahren umfassen und sollte unter fachkundiger Supervision erfolgen.
Sprechen Sie vor jeder Änderung der eingenommenen Medikation mit Ihrem Behandler.